Spiegel-Ausgabe Mai 2024, Sonderteil „Starkes Land Bayern“

Beitrag von Dr. Thomas Kuhn, Präsident Verband Freier Berufe in Bayern

Die Freien Berufe sind eine wichtige Säule unserer Wirtschaft. Doch wie stellt sich die Faktenlage dar? Die aktuelle Situation und worauf sich Freiberufler einstellen müssen im Überblick.

Den Freien Berufen kommt eine wichtige Bedeutung für die Gesellschaft und das Gemeinwohl zu. Gerade in der Corona-Krise ist die Bedeutung der Freien Berufe in Stadt und Land deutlich sichtbar geworden. Die Freiberufler zeigten tagtäglich überragende Leistungen. Als Krisenmanager beratend und unterstützend standen sie in erster Reihe. Zusammen mit ihrer beruflichen Selbstverwaltung haben sie schnell, gezielt und unbürokratisch agiert. So funktionierte die rasche Auszahlung von finanziellen Corona-Hilfen nur, weil Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer als prüfende Dritte mitwirkten. Steuerberater und ihre Mitarbeiter arbeiteten monatelang am Limit, um ihre Mandanten zu unterstützen und hierbei die staatlichen Hilfsmaßnahmen umzusetzen.

Die Zahl der selbständigen Freiberuflerinnen und Freiberufler stagniert allerdings. Auch in den Freien Berufen ist der Trend zur Angestelltentätigkeit zu beobachten. Viele Berufseinsteigerinnen und Berufseinsteiger scheuen den Weg in die Selbständigkeit. Das wirtschaftliche Risiko, der gravierende Fachkräftemangel, die traditionell hohe Arbeitsbelastung, die Komplexität der Aufgaben und vieles mehr sind ursächlich.

 

Abbau von Hürden

Die Selbständigkeit zu fördern, ist Aufgabe aller Beteiligten gleichermaßen. Die Sicherstellung der Auskömmlichkeit durch Honorarordnungen, die den aktuellen Wissensstand und den Stand der Wissenschaft und Technik abbilden und die Inflation ausgleichen, sowie der Abbau von unnötigen bürokratischen Hürden bei der Unternehmensgründung und in der täglichen Arbeit gehören dazu.

Weiter muss der Kommerzialisierung der Freien Berufe Einhalt geboten werden. Ihr Markt darf nicht zum Zweck bloßen Investments in die Hände fachfremder Kapitalgeber fallen. Fachfremde Kapitalgeber setzen in der Regel auf die erzielbare Rendite und stellen damit das Wohl der Patienten und Mandanten hinter betriebswirtschaftliche Interessen zurück.

Damit entsteht die Gefahr der Erbringung nicht veranlasster oder zu teurer Leistungen des Umsatzes willen. Auch wird die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung gefährdet, weil sich renditeorientierte Betriebe bevorzugt in den lukrativen Ballungsräumen niederlassen.

 

Berufe verändern sich

Die Pandemie hat den Digitalisierungsprozess auch bei den Freien Berufen merklich beschleunigt. Die Einführung digitaler Anwendungen stellt die oft in kleiner Einheit organisierten Freiberufler vor wirtschaftliche Herausforderungen, die ihm im Vergleich zu Großunternehmen zunächst Wettbewerbsnachteile bedeuten. Gleichzeitig werden sich die Berufe verändern. In der Steuerberatung etwa werden Alltagsaufgaben, z.B. die einfache Einkommensteuererklärung, durch KI gestützt mit wenig Arbeitszeit erledigt werden können, gleichzeitig wird der Aufwand steigen, durch KI gestütztes Verwaltungshandeln zu prüfen und dem Bürger zu erklären. Hier können die kleinen Unternehmen ihre persönliche Nähe zu den Betroffenen als Vorteil nutzen.

Und egal wie leistungsfähig KI auch werden wird: Personen und Unternehmen, die Beratung bei steuerlichen Fragen und Gestaltungen suchen oder die Testamentsgestaltung erörtern möchten, wollen dies nicht mit dem Computer tun.